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Bericht von 2006

"Setzt sich ja doch nicht durch", hab ich immer gesagt, und mich immer geweigert. RISTOME hab ich so nebenbei registriert, Das Keyboard als Kuriosität zur Kenntnis genommen, QWERTZ einfach als mehr oder minder gottgegeben akzeptiert und dem Kumpel, der mal erwähnt hat, daß man ja auch einfach hingehen und z.B. NEO für sich zu Hause benutzen kann, weitgehend ignoriert. Das war Ende des letzten Jahres. Vor 5, 6 Tagen bin ich dann beim Rummachen in der deutschen Wikipedia auf den Artikel "Tastaturlayout" gestoßen und hab mir spaßeshalber angesehen, was es da so alles gab. NEO schien bereits nach kurzem Überfliegen der überzeugungsreichste Kandidat zu sein: durchdacht, auf Deutsch zugeschnitten und auf der Höhe der Zeit. Ich habe vor 13 oder 14 Jahren Maschinenschreiben gelernt und vorher bereits sicher 10 Jahre Klavier gespielt. Es war klar, daß es nur eine Frage der Umgewöhnung war, umzusteigen. An Fingerfertigkeit oder Schnelligkeit hat es eigentlich nicht gemangelt, aber der Reiz des neuen, rationalen war vorhanden. Als Germanist haben mir auch die sprachstatistischen Argumente sofort eingeleuchtet. Als ich dann gemerkt habe, daß ich meine Tasten einfach umstecken kann (mit minimalstem Bastelaufwand - gepriesen sei meine Billigtastatur!), war es um mich geschehen. Umgesteckt, NEO 1.0 installiert und alle anderen Layouts gelöscht. Der verlinkte Tippkurs erwies sich als ziemlich unbrauchbar und auch als überflüssig. Zusätzliche Motivation entstand, indem mein Mitbewohner beim Anblick meiner renovierten Tastatur sofort Feuer fing und aufsprang. Obwohl er anfangs sehr geflucht hat - seine schnieke Tastatur ließ sich nicht einfach umstecken, was beim Lernen recht hinderlich war - hat er gleich noch einige weitere Leute bekehrt. Der Kollege ganz vom Anfang ist jetzt auch dabei...

Zum Erfahrungsbericht:

Tag 1 Am ersten Tag geht erwartungsgemäß gar nix. "Wo ist das V? Wo ist das V? Aaaaaah, wo steckt das P?" Eine Katastrophe.

Tag 2 Man hat sich langsam die wichtigsten Tasten eingeprägt. Erste, vereinzelte Sätze rücken in greifbare Nähe. Aber… alles… seeehr… laaaaangsaaaaam.

Tag 3 Die Radikalkur scheint sich allmählich auszuzahlen. Bei starker Konzentration und häufigen Blicken auf die Tastatur sind schon kleine Unterhaltungen per ICQ wieder möglich. Man fühlt sich beim Schreiben dennoch wie von einer schweren Behinderung geschlagen. Angestrengtes Umherstarren zwischen Tasten und Bildschirm führt zu Kopfweh...unerwartete Nebenwirkung. NEO 1.1 installiert und Caps Lock zur zweiten Alt Gr umbelegt. Gott sei Dank, endlich {} ohne absurde Verrenkungen zu erreichen! Mit der versetzten Taste für ß? wird TeXen angenehm wie nie.

Tag 4 Inzwischen holpert es etwas besser; Kleinigkeiten in der WP sind keine Unmöglichkeit mehr. Die konterintuitive Anordnung von ÖÜÄ (statt ÜÖÄ) geht auf die Nerven, weil sie nicht in den Kopf will. Schreiben ist immer noch eine üble Anstrengung. Am meisten stört mich nun, daß ich immer noch zwischen Buchstaben und Pfeiltasten hin und her springen muß. Hoffentlich kommt bald die 2.0 und bringt da eine Änderung.

Tag 5 Daß L mit den Vokalen auf der Linken liegt, geht mir auf den Keks. Y hat so einen unnötigen Logenplatz… Übles Gestotter herrscht immer noch vor. Gegen Abend macht sich leichte Genervtheit bemerkbar; QWERTZ-Flashbacks könnten allerdings auch auf den Alkohol zurückzuführen sein.

Tag 6 Aaaah, welche Erlösung! Die Neuronen haben sich nach dem letzten Aufbäumen am vorhergehenden Abend anscheinend endlich umsortiert. Ich kann wieder annehmbar flüssig schreiben! Anfängliche Schätzungen, daß die gröbste Umstellung etwa eine Woche dauern wird, scheinen nicht allzu sehr daneben gelegen zu haben.

Zeit vergeht.

Nach etwa drei Wochen kommt dann die erste Härteprüfung. Inzwischen fließt es so halbwegs, auch wenn man im Vergleich zu besten QWERTZ-Zeiten mit armseligen Geschwindigkeiten um 140 Anschläge pro Minute dahinholpert. Als dann jedoch auf Arbeit zum erstem Mal seit Wochen wieder eine normale Tastatur benutzt werden muß, ist das kein schönes Erlebnis: Zuerst wieder heillose Verwirrung (als wäre ich nicht ohnehin schon verwirrt genug). Totale kognitive Kollision. 15 Minuten Schreibübungen lindern die schlimmsten Symptome, aber diesen Tag muß ich mit der Nase über den Tasten kleben.

Und wieder geht Zeit ins Land.

Inzwischen ist auch das Umschalten zwischen den verschiedenen Tastaturen kein großes Problem mehr. Von seltenen Ausflügen nach QWERTZ zurück auf NEO geht im Handumdrehen, umgekehrt ist es anfänglich ein kleiner Eiertanz, aber die Zeit ist abzusehen, da auch das sich legen wird. Ich benutze halt nahezu ausschließlich NEO, und nur alle paar Wochen fur einige Stunden QWERTZ.

Mein Mitbewohner ist allerdings wieder abgesprungen, und von all den anfänglich Begeisterten bin ich der einzige, der wirklich umgestellt hat. Die Geschwindigkeit ist inzwischen nur um ein weniges geringer als zu den besten Zeiten, während die Vorteile beim Schreiben deutscher Texte klar auf der Hand liegen. Zwar sind die Tippfehler noch vergleichsweise häufig, aber die neu angeordnete Grundreihe hat ihren Wert voll unter Beweis gestellt: es schreibt sich einfach angenehm und flüssig. Bei englischen Texten häufen sich bisweilen die Buchstaben auf einer Hand, aber im Schnitt ist der Komfort doch höher als bei der konventionellen Anordnung.

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